Adrian Schiess — Die Zugänglichkeit der Welt
In vierzig Jahren hat Adrian Schiess ein umfangreiches, vielseitiges und auch radikales Werk geschaffen, das von Biennale Venedig (1990) und documenta IX (1992) bis zu vielen internationalen Einzelausstellungen gezeigt worden ist. Die frühe Entscheidung für Malerei in Form von Platten, flach auf den Boden gelegte, farbig lackierte Tafeln, bedeutete, mit den Konventionen der Malerei zu brechen und eine neue, bisher unzugängliche Position einzunehmen — eine Position, wo sich der Anspruch auf Bild und Darstellung mit der bedeutungslosen, unmittelbaren Präsenz der Farbe kreuzt. Insofern besteht die große, noch nicht ausreichend angenommene Herausforderung des Werkes von Schiess in einer Radikalität der Unreinheiten und der gegenseitigen Durchdringungen: Bild und Farbe haben ihre integrierte Koexistenz verloren und greifen unvorhersehbar und irritierend auf das entkoppelte Feld des jeweils anderen über.
Im Eingangsraum der Ausstellung in St. Gallen (2020 – 2021) ist die Ordnung der Malerei prekär, desolat, desaströs. Worin besteht der traumatische Grund für dieses Helter Skelter? „Da wieder die Sinnlosigkeit, das offenkundige Scheitern der Unternehmung, die Unmöglichkeit des Bildes.“ (Adrian Schiess) Entscheidend ist der geschichtliche Verlust des Bildes — des Bildes im Sinn von Repräsentation (Wiedervergegenwärtigung, Anwesenheit einer Abwesenheit, Darstellung, Übersetzung, Interpretation). Bei Verlust des Bildes bleiben wie abgestreifte Hüllen, wie nutzlose Panzer oder Kokons auseinandergefallene, zusammengeschobene und aufeinandergehäufte Momente farbiger Materialität zurück. Einen besonders signifikanten Typ von derartigen sorgsam orchestrierten Relikten bezeichnet Schiess zutreffend als Fetzen.