Adrian SchiessMalerei 1980 - 2020

Museum Exhibition
CuratorRoland Wäspe
Kunstmuseum St. Gallen
St. Gallen
Switzerland
29 Aug 20207 Feb 2021
Adrian Schiess, Malerei, 2003-2005 — Galerie nächst St. Stephan
Adrian Schiess
Malerei, 2003-2005
Lack auf Aluminiumverbundplatte
218 x 300 x 2 cm
3 Zoom Views
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Adrian Schiess, Malerei, 1993 — Galerie nächst St. Stephan
Adrian Schiess
Malerei, 1993
Lack auf Aluminiumverbundplatte, beidseitig bemalt
300 x 110 x 2 cm
2 Zoom Views
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Adrian Schiess, Malerei, 2007 — Galerie nächst St. Stephan
Adrian Schiess
Malerei, 2007
Inkjet-Print und Rainbowlack auf Aluminiumverbundplatte
218 x 299 x 2 cm
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Adrian Schiess, Malerei, 2013 — Galerie nächst St. Stephan
Adrian Schiess
Malerei, 2013
Inkjet-Print und Rainbowlack auf Aluminiumverbundplatte
218 x 299 x 2 cm
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Adrian Schiess, Malerei, 2015 — Galerie nächst St. Stephan
Adrian Schiess
Malerei, 2015
Lack auf Aluminiumverbundplatte
218 x 299 x 2 cm
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Adrian Schiess, Malerei, 2015 — Galerie nächst St. Stephan
Adrian Schiess
Malerei, 2015
Lack auf Aluminiumverbundplatte
218 x 299 x 2 cm
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Adrian Schiess, 1959 in Zürich geboren, gehört zu den prägenden Malern seiner Generation. Documenta, Biennale und internationale Einzelausstellungen haben ihn über die Landesgrenzen der Schweiz hinaus bekannt gemacht. Der Künstler beschäftigt sich mit grundlegenden Fragen zur Malerei. Er besetzt Räume, so dass diese nur noch zum Sehen benutzt werden können, und seine Malerei befreit unsere Wahrnehmung aus ihrer gewohnheitsmässigen Bindung an das alltäglich Gegebene.
 
Die für sein Werk charakteristischen rechteckigen und meist vollflächig in einer Farbe lackierten Platten sind auf Holzlatten platziert, so dass sie über dem Parkettboden zu schweben scheinen. Sie erzeugen in jedem Moment einen anderen Eindruck und bewirken je nach Betrachtungswinkel und Lichteinfall raffinierte Schichtungen, welche das Bild völlig entmaterialisieren.
 
Schiess thematisiert die Wahrnehmung und stellt gleichzeitig die grundlegende Frage nach dem Wesen der Malerei und dies buchstäblich. Indem die Farbplatten den Raum einnehmen und teilweise das Betreten der Säle verunmöglichen, schafft Schiess einen reinen Raum des Schauens, der Momente der Handlung mit Kontemplation verbindet. Paul Valérys Suche nach dem «Singenden» ist in gleichem Mass verbindlich wie die angestrebte Fremdheit des farbigen Abglanzes.
 
Adrian Schiess hat Projekte mit namhaften Architektinnen und Architekten realisiert. Seine Kunst ist eine enge Bindung eingegangen mit Bauten von Herzog & de Meuron, Gigon/Guyer oder Foster + Partners. Zur Ausstellung erscheint im Verlag DCV, Dr. Cantz’sche Verlagsgesellschaft, eine umfassende Anthologie der im Zusammenhang mit Architekturprojekten entstandenen Wandmalereien. Dieser zentrale Teil des Schaffens wird erstmals in seiner Gesamtheit sichtbar. Der Band ist in enger Zusammenarbeit mit Ulrich Loock entstanden und beinhaltet umfassende Gespräche mit Adrian Schiess, welche zentrale Momente seines Schaffens und die Entwicklung des Œuvres nachzeichnen.
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ADRIAN SCHIESS — DIE ZUGÄNGLICHKEIT DER WELT

In vierzig Jahren hat Adrian Schiess ein umfangreiches, vielseitiges und auch radikales Werk geschaffen, das von Biennale Venedig (1990) und documenta IX (1992) bis zu vielen internationalen Einzelausstellungen gezeigt worden ist. Die frühe Entscheidung für Malerei in Form von Platten, flach auf den Boden gelegte, farbig lackierte Tafeln, bedeutete, mit den Konventionen der Malerei zu brechen und eine neue, bisher unzugängliche Position einzunehmen — eine Position, wo sich der Anspruch auf Bild und Darstellung mit der bedeutungslosen, unmittelbaren Präsenz der Farbe kreuzt. Insofern besteht die große, noch nicht ausreichend angenommene Herausforderung des Werkes von Schiess in einer Radikalität der Unreinheiten und der gegenseitigen Durchdringungen: Bild und Farbe haben ihre integrierte Koexistenz verloren und greifen unvorhersehbar und irritierend auf das entkoppelte Feld des jeweils anderen über.
 
Im Eingangsraum der Ausstellung in St. Gallen (2020 – 2021) ist die Ordnung der Malerei prekär, desolat, desaströs. Worin besteht der traumatische Grund für dieses Helter Skelter? „Da wieder die Sinnlosigkeit, das offenkundige Scheitern der Unternehmung, die Unmöglichkeit des Bildes.“ (Adrian Schiess) Entscheidend ist der geschichtliche Verlust des Bildes — des Bildes im Sinn von Repräsentation (Wiedervergegenwärtigung, Anwesenheit einer Abwesenheit, Darstellung, Übersetzung, Interpretation). Bei Verlust des Bildes bleiben wie abgestreifte Hüllen, wie nutzlose Panzer oder Kokons auseinandergefallene, zusammengeschobene und aufeinandergehäufte Momente farbiger Materialität zurück. Einen besonders signifikanten Typ von derartigen sorgsam orchestrierten Relikten bezeichnet Schiess zutreffend als Fetzen.
 
Schiess begründet den leerlaufenden Anspruch auf ein Bild mit der exzessiven Komplexität der Wirklichkeit. Was aber ist das für eine Wirklichkeit, die für das Bild nichts als dessen Scheitern bereithält? Es ist eine Wirklichkeit, die sich in ein überall hinreichendes Netz von Datensätzen verarbeitet findet und hinter einem undurchdringlichen Schirm von Bildern verschwunden ist. Der Maler scheitert am Bild des Wirklichen, da dieses bereits restlos in Bilder übergegangen ist: Vollkommene Zugänglichkeit ist nicht zu trennen von uneinholbarem Entzug. Der Name für die bilderfeindliche Totalisierung des Bildes ist das Spektakel.
 
Die Malerei der Platten ist die fröhliche Einwilligung in das Scheitern am Bild, Inszenierung von Sinnlosigkeit, ins Werk gesetzter Bildersturm, Punk-getriebene Befreiung vom Apparat der Repräsentation, Überwindung des Begründungszwangs: Der handwerklich-uniforme Auftrag von kommerziellen Farbsorten ersetzt peinture und künstlerische Gestik; anstelle des vertikal platzierten „Fensters“ mit imaginärem Ausblick liegt eine Farbtafel mit glänzender Oberfläche flach auf dem Boden; malerische Verdichtung wird von der ausgreifenden Reihung anonym lackierter Normplatten abgelöst.
 
Mit der Überführung traumatischen Verlustes in eine neue Form malerischer Produktivität kehren auch Bilder zurück. Es sind aber nicht die unmöglich gewordenen Bilder der Malerei, Repräsentation des Wirklichen, Wiedergabe des Fehlenden — es ist ein vollkommen anderer Typ von Bildern: Spiegelung des unmittelbar Präsenten, Widerschein tatsächlichen Lichteinfalls, Reflexion von Teilen des Ausstellungsraums, angrenzenden Bereichen und anwesenden Personen. Später treten auch Abbildungen des farbtropfenbedeckten Atelierbodens oder einer Blume auf, photographischer Niederschlag auf einzelnen Platten, immer aber zuoberst mit Glanzlack beschichtet, manchmal mit changierendem Regenbogen- oder Flip-Flop-Lack.
 
Spiegelungen und Photographien sind als indexikalische Bilder miteinander verwandt: Sie stehen mit den bildgebenden Gegenständen so unmittelbar und physisch in Verbindung wie der Zeigefinger mit der Sache, auf die er hinweist, oder Rauch mit dem Feuer. In den indexikalischen Bildern, die sich auf den Platten abzeichnen, treten Gegenstände, Figuren, Details, Elemente des Wirklichen, vom Anspruch der Repräsentation befreit, als einmalige Begegnungen auf, veränderlich gemäß den Bewegungen des Betrachters oder der Betrachterin. Alle Partikularitäten aber, Dinge und farbige Platten, verbindet die Inzidenz des Lichts
 
Zusammen mit dem Auftreten einer anderen Art von Bildern, von leuchtenden oder verdämmernden Bildern unmittelbarer Nähe und Aktualität, nimmt auch die Farbe der Platten eine abweichende Qualität an gegenüber der lastenden Materialität von farbgetränkten Fetzen und anderen Indikatoren des unmöglichen Bildes: Die Farbe der Platten wird als Schein und Abglanz übertragen, ungreifbare Auswirkung der farbigen Substanz. Die Konstellation von Platten und den Gegenständen indexikalischer Bilder fordert und bestätigt das wirklich Begegnende, farbiger Schimmer aber durchdringt es mit entrealsierenden Tönungen.
 
Als Maler hat sich Schiess zu einer Arbeit der unendlichen Untersuchung, Veränderung, Verfeinerung, Intensivierung und Erneuerung des farbigen Abglanzes verpflichtet — es gibt Platten mit monochromer Farbe in den eigenartigsten Tönungen, solche mit irren Verläufen, dem geisterhaften Leuchten irisierender oder fluoreszierender Lacke, der dunklen Buntheit matter Farbe, dem intensiven Glanz eines neuentdeckten Chrompigments. Voller Verachtung für die Verbindung von peinture und Repräsentation aber banalisiert Schiess gleichzeitig den malerischen Anspruch der Platten, macht sie zu Dingen unter Dingen, Partikeln des Wirklichen, und reiht sie in wechselnde Realitätskomplexe ein, wo sie diese gleichzeitig von sich selbst unterscheiden. Imprägniert mit farbigem Abglanz und flüchtigen Bildern, intervenieren die Platten dort, wo das Wirkliche hinter den Bildern des Spektakels verschwindet.
 
Eingeschoben in die Textur der bestehenden Dinge, sind die horizontal liegenden Platten ein Obstakel, eine gegen Ökonomie gerichtete Versperrung, eine Verschwendung von Platz und Raum, Auszonung eines unbetretbaren, dem herkömmlichen Gebrauch entzogenen Bereichs. So insistiert Schiess auf jene Körperlichkeit, von der das Spektakel den unerbittlichen Austausch von Bildern trennt. Indem die Platten aber nicht betreten, sondern nur angeschaut werden können, übernimmt er gleichzeitig eine grundlegende Bedingung des Spektakels. Doch die Malerei der Platten überführt die spektakuläre Totalisierung des Bildes in einen unabgeschlossenen und unabschließbaren Prozess, mit dem Verhältnisse von Visualität und Körperlichkeit im Einzelnen neu verhandelt werden. Dieser Prozess kann ebenso von einer einzigen Platte in Gang gesetzt und in Gang gehalten werden, die in einer bestimmten Umgebung auf dem Boden liegt, wie von einem ausgedehnten Feld, das ein ganzes Ausstellungshaus besetzt.
 
Als Maler verbindet Adrian Schiess Farbe, Bilder, Dinge und Personen zu exemplarischen Situationen, die, in das Gewebe des Wirklichen eingefügt, auf eine entscheidende Frage der Gegenwart hinauslaufen, die Frage nach der Zugänglichkeit der Welt.
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  • Stefan Rohner
  • Courtesy: Kunstmuseum St. Gallen
  • © Kunstmuseum St. Gallen

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